Das Interview mit Shlomi Moto Wagner.
Acht Jahre ist es her, als du von Tel Aviv über NYC nach Berlin gezogen bist. Dein Ziel war es, von deiner Karriere als Opernsänger zu leben. In Deutschland waren deine ersten Auftritte als Fiorillo in der »Barbier von Sevilla« und als Papageno in der »Zauberflöte«.
Wie ging es für dich weiter?
© Salvation PR (Glitter doesn’t care I’m a boy) Photo: Jerun Vahle
Ich habe viel gesehen und entdeckt. Die Stadt ist so dynamisch. In den acht Jahren hat sich so viel verändert, wie auch in meinem eigenen Leben. Andere Städte sind wie Bilder, Berlin dagegen ist ein Theater. Es gibt keinen Rahmen. Berlin formt immer noch seine Identität und wird von den Menschen geprägt. Das hat mich beeinflusst.
Ich habe mir Fragen gestellt, die ich mir davor nie stellte und habe dafür eine Bühne gefunden. Zum Beispiel für meine Arbeit als Drag Queen. Ich kannte die traditionelle Welt der Oper und habe dann diese andere Welt entdeckt. Gender performance, die unterschiedlichen Ausdrücke, diese bunte Stadt hat mir Raum dafür gegeben. Es gibt so viele Möglichkeiten für Experimente und die Menschen sind offen dafür. Sie lassen sich davon inspirieren.
Wie hat sich deine künstlerische Karriere weiterentwickelt?
Als ich hier hergekommen bin, war mein Ziel, auf den Bühnen der klassischen Opernwelt zu stehen. Dann habe ich Drag ausprobiert. Als ich gehört habe, dass eine Person gesucht wird, die Opern singen kann und Drag ist, habe ich mich sofort beworben. Es war eine tolle Möglichkeit, diese beiden Bereiche miteinander zu verbinden. Daran habe ich noch nie zuvor gedacht.
© Photo Salvation PR by Jeremy Knowles
Mit der Zeit habe ich immer mehr ausprobiert und gemixt. Oper, Drag, Theater, das Spielen von Instrumenten, Composing, Songwriting und Tanzen. Für unterschiedliche europäische Opernhäuser und auch für Filme. Von dem Performing Arts Festival Berlin habe ich die Möglichkeit bekommen, meine Drag-Opern-Show “Glitter Salvation” vorzustellen.
Mein Hauptfokus auf dieser Reise ist immer die Stimme. Ich möchte die Grenzen entdecken, wie sie mit dem Körper funktioniert und im Kontext mit dem Geschlecht steht. Ein sehr spannender Bereich ist Lippensynchronisation. Ich übernehme die Stimme von einer anderen Person und werde zu einem Medium – es ist eine Transformation.
Über die Jahre habe ich meine Stimme beobachtet und bemerkt, welche Wirkungen sie auf andere hat und auch auf mich, emotional und therapeutisch. Und dann ist mir auch die soziale Wirkung immer wichtiger geworden. Als queere Person hat mir das bei den meisten Opern gefehlt, bei denen es immer um den heterosexuellen Helden geht. Es ist schön queere Geschichten mit meinem Kollektiv zu erzählen oder mit meiner Drag Persona Mazy Mazeltov. Ich möchte ein Zeichen setzen, wie bei meinem Auftritt bei “Das Supertalent”. Ich habe das Feuer in mir gespürt, diese Message nach außen zu tragen.
© Das Supertalent PR Photo Drag Queen Mazy Mazeltov
Danach wurde ich von anderen queeren Teenagern kontaktiert. Sie haben mir gesagt, wie berührt sie waren. Das hat mich daran erinnert, welche Wirkung Dana International auf mich hatte, als sie 1997 beim Eurovision Song Contest teilgenommen hatte. Sie hat mir so viel Kraft geschenkt und mich inspiriert, auch auf die Bühne zu gehen.
Was kannst du anderen Künstler:innen empfehlen, die neu in Berlin sind?
Es ist wichtig eine gutes Netzwerk zu haben und mit ihnen offen zu reden, Feedback zu bekommen und die Welt gemeinsam zu entdecken. Es gibt so viel da draußen, was einen überraschen wird. Es ist wichtig, offen dafür zu bleiben. Events, Workshops und Künstler-Netzwerke helfen.
Auch bei Proben habe ich tolle Freunde kennengelernt. So bin ich auf Philine Rinnert und Johannes Müller aufmerksam geworden, dem experimentellen und hybriden Opernregisseur:innen-Duo. Sie waren es, die nach einer Oper-Drag-Sängerin gesucht haben. Gemeinsam haben wir neue Formen von zeitgenössischen Opern geschrieben und sind in unterschiedlichen Theatern in Europa aufgetreten.
Mit meiner Arbeit als Drag in Bars und Theatern habe ich auch sehr viele Menschen kennengelernt. Wir haben Events organisiert für unsere Shows und für andere. Dabei habe ich eine Person getroffen, die von meiner Drag-Persona sehr angezogen war. Wir haben angefangen zusammen zu arbeiten und sind jetzt sehr gut befreundet. Ich habe sie unterstützt in ihrer Entwicklung zur Drag Judy LaDivina, die jetzt selber eine Gemeinschaft von Drag Queens unterstützt und ihnen bei den Dragoholic Events eine Bühne gibt. Wir helfen uns gegenseitig, um uns auszudrücken und das Publikum zu erreichen.